Technik des Tätowierens

Das Prinzip und die Geschichte der elektrischen Maschinentätowierung

Es gab und gibt auf dieser Erde en masse Techniken, um die menschliche Haut dauerhaft zu pigmentieren.
Angefangen vom klassischen Aufstechen der Haut mit Nadeln, spitzen Stöcken, Knochen oder Fischzähnen et cetera und dem nachträglichem Einreiben der Pigmente in die Einstichstelle, wie es die meisten Naturvölker bis heute praktizieren, gab es noch die Möglichkeit, die Stechinstrumente vorher in die Farblösung einzutauchen und dann durch das direkte Einstechen das Pigment in die Haut zu transportieren, was im Pazifikraum weit verbreitet war. Andere Völker benutzten Nadel und in Farbe getauchte Fäden, welche durch ‚Nähen‘ der Haut mithilfe der Eintritts- und Austrittswunden gepunktete Muster ergaben.
Alles natürlich sehr zeitaufwendig per Hand.
Um relativ zügig zum ‚Ergebnis‘ zu kommen, gab es im 19. und 20. Jahrhundert sogar gewisse Tätowierstempelpressen, um Hunde und anderes Getier zu kennzeichnen. Es handelte sich dabei um eine Art Zange mit speziell angeordneten Nadelbündel auf einem Holzkissen. Die Presse wurde in schwarze Tusche getaucht und durch einmaligen festen Druck in die Haut wurden die Tiere – meistens in den Ohren – dauerhaft mit Nummern, Mustern oder Ähnlichem versehen.
Das aber nur am Rande erwähnt.

Wir wollen jetzt nicht detailliert auf alle möglichen Techniken eingehen, die der Mensch in seinem Dasein so hervorgebracht hat. Statt dessen werden wir uns hier etwas ausführlicher mit der heute im Industriezeitalter gebräuchlichsten Methode der elektrischen Maschinentätowierung beschäftigen.

Die Entstehung der elektrischen Tattoomaschine

infos_technik01Der in Amerika lebende Ire Samuel O’Reilly ließ am 08. Dezember 1891 als erster eine elektrische Tätowiermaschine unter der Bezeichnung ‚Tattaugraph‘ in New York patentieren. Er gilt somit als offizieller Erfinder der ersten Spulenmaschine zum Tätowieren weltweit (US Patent Nr. 464 801).
Seine Maschine basiert auf zwei Patenten von Thomas Alva Edison, dem ‚Autographic Printer‘ von 1875 und dem ‚Electric Stencil Pen‘ von 1877, zweier Gravierfräsmaschinen, die zum Gravieren harter Oberflächen dienen sollten. O’Reilly modifizierte Edison’s Erfindungen so, dass seine eigene Maschine wesentlich schneller lief und damit zum Tätowieren geeignet war. Die erste Erwähnung dieser Maschine in den Printmedien war wohl 1884.
Die Erfindung war jetzt natürlich nicht so spektakulär an sich, aber Samuel O’Reilly hat mit seinem ‚Tattaugraphen‘ die Tür in die Welt des elektrischen Tätowierhandwerks aufgestoßen.

 

Und dann ging es Schlag auf Schlag:

infos_technik03Völlig unwissend um O’Reilly’s Erfindung patentierte auf der anderen Seite des Atlantik ein gewisser Tom Riley in London am 28. Dezember 1891 seine eigene elektromagnetische Spulenmaschine. Gerade mal ganze zwanzig Tage später als das US-Patent.
Tom Riley’s Maschine hatte eine einzige Spule und war eine modifizierte Türklingel, die in einem Messinggehäuse verbaut war. Der Tätowierer George Burchett kaufte von Riley zur Jahrhundertwende dann seine erste Tätowiermaschine und verbesserte diese. Er baute einen Schalter zum schnellen Farbwechsel ein und nahm noch andere Modifikationen vor, welche er am 13. Dezember 1904 in London patentieren ließ.

infos_technik02Die erste Spulenmaschine mit zwei Spulenpaaren, die das direkte Vorbild moderner Tätowiermaschinen darstellt, stammt von Alfred Charles South aus London, der seine Maschine am 30. Juni 1899 patentieren ließ und in meinen Augen der Vater aller heute verwendeter Standardmaschinen zum Tätowieren ist, aber das ist auch nur meine Meinung.
Diese Maschine basierte auch auf einer Türklingel in einem Stahlrahmen, links und rechts mit Messingplatten verkleidet. Sie war sehr schwer und wurde damals oft mit einer Feder an der Decke angebracht, um das meiste Gewicht von der Arbeitshand zu nehmen.

Der erste Amerikaner, der eine Twin-Coil-Tätowiermaschine erfand, war der deutsche Auswanderer Charles Wagner aus Baden, der diese am 23. August 1904 in New York patentieren ließ.
Bei dieser Variante saßen die Spulen nicht wie bei Alfred Charles South’s Maschine hintereinander, sondern nebeneinander quer zum Rahmen und der Hammer hatte eine Zugfeder hinten, um unter leichter Spannung schneller in seine Ausgangsposition zu springen. Die Maschine soll angeblich sehr einer Fernschreibermaschine von Thomas A. Edison geähnelt haben, bei dem die Spulen auch quer gestellt waren. Charles Wagner hat auch das Prinzip der Spitze vom Handgriff – im Fachjargon auch Tip genannt – und die Aufnahme der Nadeln etwas verbessert, was damit schon langsam in Richtung moderner, uns bekannter Systeme ging.

Alles in allem Erfindergeister seiner Zeit, denen man wirklich in Sachen elektrischem Tätowierhandwerk sehr viel zu verdanken hat. Auch wenn diese Entwürfe und Erfindungen schon über hundert Jahre her sind, es hat sich seit dieser Zeit das Prinzip der Tätowiermaschine nicht wesentlich bzw. gar nicht verändert.

Prinzip einer Tätowiermaschine

infos_technik02Die Arbeitsweise einer modernen Tätowiermaschine gleicht der einer ordinären elektrischen Türklingel:
Zwei Spulen aus Kupferdraht bauen bei Kontaktschließung ein elektromagnetisches Feld auf, welches einen metallenen Hammer nach unten Richtung Spulen zieht. Durch diese verursachte Bewegung schlägt dieser mit seinem langen Ende auf eine Glocke.
Weil der Hammer sich in Richtung Spulen bewegt hat, wird der Kontakt mit der Kontaktschraube gelöst, der Stromkreis unterbrochen, das Magnetfeld in den Spulen verschwindet und der Hammer schnellt wieder in seine ursprüngliche Position zum Kontakt hoch.
Sobald sich Kontaktschraube und Hammer wieder berühren, schließt das den Stromkreis wieder und besagter Hammer wird wieder vom dadurch erzeugten Magnetfeld der Spulen angezogen.
Also wieder Abwärtsbewegung und ein Schlag auf die Glocke. Das geht immer so weiter, solange der Klingelnde auf die Türklingel drückt. Rasant schnell und das klassische Klingelrattern wird erzeugt.

Der Unterschied einer einfachen Türklingel zu einer modernen Tätowiermaschine besteht nur darin, dass sich an dem Hammer kein verlängertes Ende mit Glockenschläger befindet, sondern in 90 Grad nach unten befestigt eine Anzahl feiner, an eine Stange gelöteter Nadeln, die sich durch dieses Prinzip in einem röhrenartigen Griff schnell auf- und abwärts bewegen, was man sehr gut hier links an Percy Waters‘ Patentabbildung von 1929 erkennen kann. Die Geschwindigkeit ist abhängig von der Tätowiertechnik und dem gewünschtem Effekt, also ob Linien, Farbflächen oder Schattierungen ausgeführt werden.

1970 wurde von dem Frankfurter Horst Streckenbach (1926 – 2001) und seinem Lehrling Manfred Kohrs eine komplett andere Antriebsart für eine Tattoomaschine entwickelt und gebaut.
Hier arbeitet die Tätowiermaschine mit einem klassischen Elektromotor, wobei ein Exzenter die Drehbewegung in eine Auf- und Abwärtsbewegung umsetzt. Diese so genannten Rotarys – abgeleitet von der rotierenden Bewegung des Motors – erfreuen sich mittlerweile ungeheurer Beliebtheit in der Tätowiererszene, weil sie eher fast geräuschlos arbeiten und etwas weniger Gewicht in der Arbeitshand aufweisen. Man kann aber davon ausgehen, dass sie nie die elektromagnetischen Tattoomaschinen vom Markt verdrängen werden, weil die meisten Tätowierer – mich eingeschlossen – die klassischen Arbeitsgeräusche der Spulenmaschinen und das dazugehörende Gewicht zum Arbeiten brauchen.
Außerdem kann eine Spulenmaschine extrem in seiner Einstellung und Arbeitsweise modifiziert werden, was bei Rotarys nicht der Fall ist. Ein wirklich überaus wichtiger Aspekt bei individuellen Tätowiertechniken und persönlichen Arbeitsstilen.
Es gibt des weiteren natürlich noch Exoten unter den Tattoomaschinen, die zum Beispiel mit Luftdruck wie die pneumatische Tattoomaschine von Carson Hill aus dem Jahre 2000 oder sogar mit Benzin arbeiten, aber darauf werden wir hier jetzt nicht weiter eingehen. Diese Techniken werden einfach zu selten von Tätowierern genutzt.

Allgemeiner Vorgang des Tätowierens

Grundsätzlich wird beim Prozess des Tätowierens die Oberhaut (Epidermis) mittels Nadeln geöffnet. Die Tattoofarbe hält sich dank einer Kapillarwirkung zwischen den Nadeln und wird durch die Schnelligkeit der Bewegung der Tätowiermaschine in die Haut gebracht. Dabei spannt die eine Hand des Tätowierers die Haut des Kunden und die andere Hand bringt mittels der Maschine die Farbe in die Haut.
Damit die Farbpigmente dauerhaft in der Haut halten, müssen sie vom menschlichen Körper in der mittleren Hautschicht im Zelltyp der Fibroblasten eingelagert werden.
Das bedeutet, dass die Tattoofarbe vom Tätowierer fachmännisch in die zweite Hautschicht (Dermis) eingebracht werden muss, damit die Farbpigmente  hier in den Papillarkörpern dauerhaft eingekapselt werden und ein Leben lang halten.

Alles in allem eine schöne Möglichkeit, die uns die Natur da gegeben hat, um unsere Körper individuell und dauerhaft zu illustrieren.